Heft 2 / 2025: "Neue Umgangsformen mit Geld und Finanzen"

Jakob Gasser / Nico Tackner

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„Klarna - Schulden”. Eine wirtschaftssoziologische Betrachtung der zunehmenden Nutzung von „Buy Now, Pay Later“-Angeboten in Österreich

Dieser Beitrag behandelt die Verbreitung von „Buy Now, Pay Later“ (kurz BNPL) in Österreich. Hierzu werden die bestehende sozialwissenschaftliche Literatur zum Anstieg der Privatverschuldung seit den 1970er-Jahren aufbereitet und aktuelle Forschungsbeiträge zu BNPL zusammengetragen. Der Artikel stützt sich auf Daten einer Fragebogenerhebung zum Wandel von Zahlungsmethoden vom Sommer 2024. Im Rahmen der Auswertungen wird gezeigt, dass das Bezahlen im Internet und die Nutzung von digitalen Zahlungsanbieter:innen weiter verbreitet sind als häufig angenommen wird. Personen, die „Buy Now, Pay Later“-Angebote nutzen, haben eine höhere Affinität zu digitalen Zahlungsmodalitäten im Allgemeinen (Online-Banking, Vermeidung von Münzgeld etc.) und weisen häufiger finanzielle Probleme auf. Die breite Nutzung von BNPL-Angeboten aufgrund der leichten Verfügbarkeit für alle Bevölkerungssegmente legt in Kombination mit dem mangelnden Bewusstsein für das zugrunde liegende Kreditverhältnis den Bedarf an vermehrter Aufklärung nahe.

Klarna. An Economic Sociological Perspective on the Increasing Use of „Buy Now, Pay Later”-Services in Austria

This article deals with the dissemination of “Buy Now, Pay Later” (BNPL) in Austria. In this course, the current state of social science literature is summarized regarding the increase in private debts since the 1970s in general as well as BNPL in specific. The article is based on a standardized survey on the issue of changing payment methods, which has been collected in the summer of 2024. Our analyses show that online payments and the use of digital payment providers are more frequent than it is usually assumed. Those who use BNPL prefer digital forms of payment in general (frequent use of online banking, avoidance of coins) and show signs of financial difficulties more often. The wide adoption due to easy access for all social strata, combined with the frequent neglect of the underlying legal credit relationship, suggests the need for awareness campaigns.

Julia Rieß / Bettina Greimel-Fuhrmann

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Finanzwissen der Österreicher:innen: Eine Analyse des Wissens über Wertpapiere und Implikationen für die Finanzbildung

Investitionen in Wertpapiere, wie Aktien, Anleihen und Fondsanteile, sind für die erwachsene Bevölkerung in Österreich nicht die erste Wahl, um Geld anzulegen und Vermögen zu bilden. Mit den häufig präferierten niedrig verzinsten Sparformen können die finanziellen Ziele Wertabsicherung und Wertsteigerung allerdings nicht erreicht werden. Der vorliegende Beitrag analysiert das wertpapierspezifische Wissen in Österreich, um potenzielle Wissenslücken und Fehlannahmen aufzudecken, die gut überlegte Investmententscheidungen erschweren könnten. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Grundlagen des Investierens wie Kaufkraftentwicklung und Risikodiversifikation von der überwiegenden Mehrheit der Erwachsenen in Österreich verstanden werden. Das Wissen über konkrete Anlageprodukte ist allerdings bei vielen nicht in ausreichendem Ausmaß vorhanden, um für die Geld- und Kapitalanlage in Wertpapieren gut informierte, überlegte Entscheidungen zu treffen. Daher erscheint eine umfassende Finanzbildungskampagne wünschenswert, die über Investitionsmöglichkeiten aufklärt und weit verbreitete Fehlannahmen durch sachgerechte Informationen korrigiert.

Financial Knowledge in Austria: An Analysis of Knowledge about Securities and Implications for Financial Education

Investments in securities such as shares, bonds and funds are not the first choice for the adult population in Austria when it comes to investing money and accumulating wealth. However, frequently favoured low-interest forms of saving cannot achieve the financial goals of value protection and appreciation. This article analyses securities-specific knowledge in Austria in order to uncover potential knowledge gaps and misconceptions that could hinder well-considered investment decisions. The research results show that investment basics such as purchasing power development and risk diversification are understood by the vast majority of adults in Austria. However, many do not have sufficient knowledge of specific investment products to make wellinformed, considered decisions about investing money and capital in securities. Therefore, a comprehensive financial education campaign is desirable, provides information about investment opportunities and corrects widespread misconceptions by providing appropriate information.

Bettina Greimel-Fuhrmann / Marina Hettrich / Maria Silgoner / Valentin Voith / Maximilian Zieser

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Empirische Analyse des Gender Gaps in der Finanzbildung 

Zahlreiche Studien zeigen signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf Finanzwissen, Selbstwirksamkeit und Finanzverhalten. Dieser Beitrag analysiert Daten einer im Herbst 2023 in Österreich durchgeführten Studie im Rahmen des OECD/INFE International Survey of Adult Financial Literacy. Er stellt die bisherigen Erkenntnisse durch neue, vertiefende Analysen auf den Prüfstand und geht weiteren Erklärungen für einen Gender Gap nach. Die Analyse zeigt, dass erneut Männer beim OECD-Test zum Finanzwissen besser abschneiden als Frauen, insbesondere bei Befragten unter 45 Jahren. Der Gender Gap ist bei einer zusammenfassenden Bewertung von Finanzwissen, Einstellungen und Verhalten geringer. Frauen zeigen beim kurzfristigen, alltäglichen Finanzverhalten günstigere Verhaltensmuster, Männer bei langfristigen, bedeutsamen Finanzentscheidungen wie Kapitalanlagen oder Vorsorge. Auch bei einem zusammenfassenden Index des finanziellen Wohlbefindens gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen, der mit zunehmendem Finanzwissen abnimmt und bei höchstem Finanzwissen verschwindet. Die Ergebnisse zeigen, wie wesentlich eine umfassende Finanzbildung für finanzielles Wohlbefinden ist, insbesondere für Frauen.

Empirical Analysis of Gender Gaps in Financial Education 

Many studies show significant differences between men and women in terms of financial knowledge, self-efficacy and financial behaviour. This article analyses data from a study conducted in Austria as part of the OECD/INFE International Survey of Adult Financial Literacy. It examines whether previous findings are confirmed by new, in-depth analyses and investigates further explanations for a gender gap. The analysis shows that men again outperform women on the OECD financial literacy test, especially among respondents under the age of 45. The gender gap is narrower in a combined assessment of financial knowledge, attitudes and behaviour. Women score higher on short-term, day-to-day financial behaviour, while men score higher on long-term, major financial decisions, such as decisions related to investments or private pensions. There is also a gender gap on a composite index of financial well-being, which decreases as financial literacy increases and disappears at highest levels of financial literacy. The results show the importance of comprehensive financial education for financial well-being, especially for women.

Petia Niederländer / Daniel Schwarzböck

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Perspektiven auf den digitalen Euro

Der digitale Euro stellt eine zentrale Innovation im europäischen Zahlungsverkehr dar. Dieser Beitrag analysiert, welche Gestaltungsmerkmale erforderlich sind, damit dieser von Konsument:innen akzeptiert wird und gleichzeitig einen Beitrag zur Förderung der finanziellen Inklusion leistet. Aspekte wie Sicherheit, Datenschutz und barrierefreie Nutzbarkeit erweisen sich dabei als entscheidende Erfolgsfaktoren. Zudem wird untersucht, welchen Mehrwert der digitale Euro insbesondere im Vergleich zu privaten Zahlungsdienstleister:innen für Händler:innen bieten kann. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Rolle von Banken und Zahlungsdienstleister:innen, wobei sowohl Chancen durch neue Geschäftsfelder als auch potenzielle Risiken für die Stabilität des Finanzsystems sowie mögliche Widerstände etablierter Marktakteur:innen beleuchtet werden. Abschließend wird der digitale Euro im Kontext der strategischen Autonomie Europas im Massenzahlungsverkehr betrachtet – mit Fokus auf das Ziel, die Abhängigkeit von nicht europäischen Zahlungsdienstleister:innen zu verringern und europäische Interessen im digitalen Zahlungsverkehr zu stärken.

Perspectives on the digital euro 

The digital euro constitutes a significant innovation in the European payments landscape. This article examines the critical design features required to ensure widespread consumer acceptance while advancing the objective of financial inclusion. Key elements such as security, data protection, and accessibility are identified as essential prerequisites for trust and usability. The analysis further explores the potential value proposition of the digital euro for merchants, particularly in comparison with existing private-sector payment solutions. Additionally, the evolving role of banks and payment service providers is assessed, in light of opportunities arising from new business models, and potential vulnerabilities such as systemic risks, and possible resistance from incumbent market participants. Finally, the digital euro is considered within the broader context of Europe’s strategic autonomy in retail payments, highlighting its potential to reduce dependence on non-European payment providers and to reinforce the sovereignty and resilience of the European financial system.

Victoria Sophie Hazebrouck

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Kryptowährung und Terrorismusfinanzierung: Was das neue All-Time-High von Bitcoin für die Terrorismusfinanzierung bedeutet

In der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 2024 überschritt Bitcoin erstmals die Marke von über 103.000 US-Dollar – ein Höhepunkt inmitten wachsender politischer Unterstützung und gesellschaftlicher Legitimation. Dennoch machen jüngste Fälle wie die Finanzierung der Hamas deutlich: Die sicherheitsrelevanten Risiken bleiben bestehen, da die technischen Eigenschaften von Kryptowährungen staatliche Kontrollmechanismen unterlaufen und ihren Missbrauch zur Terrorismusfinanzierung erleichtern. Der Artikel untersucht, inwiefern sich die Marktentwicklung von Bitcoin auf das Risiko der Terrorismusfinanzierung auswirkt und welche Rolle bestehende Regulierungsmaßnahmen dabei spielen. Die Analyse zeigt, dass sich Terrorismusfinanzierung unabhängig von Kursverläufen vollzieht und vermehrt im Kontext erstarkender Terrorgruppen und (geo-)politischer Konflikte auftritt. Gleichzeitig wird deutlich, dass internationale Standards und die Einbindung von Kryptowährungsdienstleistern zentrale Bausteine effektiver Regulierung darstellen, auch wenn die globale Rechtslage bislang fragmentiert und heterogen bleibt.

Cryptocurrency and Terrorism Financing: What Bitcoin’s New All-Time High Means for Terrorism Financing

On the night of December 4 to 5, 2024, Bitcoin surpassed the 103,000 US dollar mark for the first time – a milestone amid growing political support and legitimization. Nevertheless, recent cases such as the financing of Hamas highlight that security-related risks persist, as the technical characteristics of cryptocurrencies circumvent state oversight and facilitate their misuse for the financing of terrorism. The article examines to what extent the market development of Bitcoin impacts the risk of terrorism financing and how existing regulatory measures respond to this challenge. The analysis shows that terrorism financing occurs largely independently of price movements and is increasingly linked to the resurgence of terrorist groups and (geo)political conflicts. At the same time, it becomes evident that international standards and the inclusion of cryptocurrency service providers are central pillars of effective regulation, even though the global legal landscape remains fragmented and heterogeneous.

Gerlinde Mauerer

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Elternschaft, Geld und Geschlecht: Partnerschaftliche Vereinbarungen und elterliche Bemühungen um geschlechtergerechte Arbeitsaufteilungen

Im Artikel werden individual- und familienökonomische Entwicklungen mit Fokus auf Elternschaft, Geld und Geschlecht betrachtet. Basierend auf den Ergebnissen einer Studie zur Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsgeld (KBG) in Österreich durch zwei Elternteile wird gefragt, ob und wie eine alternierende Inanspruchnahme von KBG durch zwei Elternteile dazu beitragen kann, ein geschlechterspezifisches Ungleichgewicht in der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit in der Kleinfamilie zu reduzieren. Die generierten Ergebnisse zur Inanspruchnahme von KBG durch beide Elternteile bieten die Möglichkeit, eine in Österreich vorherrschende Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen im Setting der Kleinfamilie zu reflektieren. Die befragten Paare strebten einen Ausgleich in der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit an. Nachwirkungen einer patrilinearen Begünstigung im Familieneinkommen zeigten sich insofern, als viele Väter in der Privatsphäre Unterstützung erhielten, welche die Fortsetzung einer (geringfügigen) Erwerbstätigkeit während des KBG-Bezugs ermöglichte. Zusammenfassend verweisen die Ergebnisse auf eine Aufrechterhaltung familienökonomischer Mechanismen, die tendenziell geschlechterspezifische Chancenungleichheiten im Erwerbsarbeitsleben von Männern und Frauen – insbesondere im Übergang zu Elternschaft – fortsetzen.

Parenthood, Money and Gender: Partnership Agreements and Parental Efforts to Achieve Gender-equity in Sharing Tasks

The article analyses individual and family economic developments with a focus on parenthood, money and gender. Based on the results of a study on the uptake of paid parental leave and child-care allowance (CA) in Austria by two parents, we ask whether and how two parents’ alternating utilisation of CA can contribute to reducing a gender-specific imbalance in the distribution of paid and unpaid work in the nuclear family. Empirical results generated on the utilisation of CA by both parents offer the opportunity to reflect the prevailing income inequality between men and women in the setting of the nuclear family in Austria. The couples surveyed endeavoured to achieve a balance between the distribution of paid and unpaid work. However, a mechanism of patrilineal favouritism in family income was evident insofar as many fathers received support in the private sphere, which enabled them to continue (marginal) employment while receiving CA. In summary, the results point to a perpetuation of family economic mechanisms, which tend to involve a continuation of gender-specific inequalities of opportunity in the working lives of men and women, particularly in the transition to parenthood.