Heft 4 / 2011: "offenes Heft"

Ulrike Zartler / Martina Beham

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Alleinerziehen: Alltägliche Herausforderungen im Umgang mit knappen Ressourcen

Der Alltag von Ein-Eltern-Familien, insbesondere jener von Alleinerzieherinnen mit jüngeren Kindern, ist von vielfältigen Herausforderungen geprägt. Diese werden auf Basis von Sekundäranalysen der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2009, von EU-SILC 2008 und des Generations and Gender Survey (GGS) 2008/09 sowie qualitativer Interviews mit Alleinerzieherinnen mit betreuungspflichtigen Kindern unter 15 Jahren in ausgewählten Lebensbereichen skizziert. Alleinerzieherinnen weisen trotz hoher Erwerbsteilhabe ein stark überhöhtes Armuts- und Deprivationsrisiko auf und erleben den Mangel an Zeit und Geld sowie die allein verantwortliche Koordination von Kinderbetreuung und Beruf als prägende Herausforderungen. Die Bewältigungsstrategien, die sie im Umgang mit diesen Anforderungen entwickeln, werden beschrieben. Der Beitrag schließt mit Überlegungen zum sozialpolitischen Handlungsbedarf.

Lone Parenthood: The Everyday Challenges of Managing Limited Resources

The daily routine of single-parent families, especially those with single mothers as breadwinners for their young children, is plagued by multifaceted challenges. These challenges are outlined against the background of secondary analyses of the 2009 Labor Force Survey (microcensus), EU-SILC 2008 and GGS 2008/09. In addition, qualitative interviews have been carried out in selected areas of life with single mothers who have caretaking obligations and nurture children younger than 15 years of age concurrently. Despite a broad access to earnings, lone mothers show an excessive risk of poverty and deprivation. They are subjected to lack of time and resources, facing the distinctive challenge of being responsible for coordinating childcare and other professional issues. The coping strategies developed in addressing these requirements have been assessed. Finally, the present contribution considers the need for action on the part of welfare policies. 

Helmut P. Gaisbauer / Gottfried Schweiger / Clemens Sedmak

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Die Besteuerung von Vermögen in Österreich aus sozialethischer Perspektive

Dieser Beitrag unternimmt eine steuerethische Begründung der Besteuerung von Vermögen im österreichischen Kontext. Er schlägt als Zielvorstellung von Steuerpolitik ein Gemeinwesen vor, das als Ganzes gesichert und geordnet ist, das auf einem Gleichgewicht von Rechten und Pflichten beruht, das die Spielräume der Einzelnen im Beitrag zum Gemeinwohl differenziert betrachtet, und das die Verwirklichung von Fähigkeiten von Einzelnen ermöglicht und begünstigt. Aus einem so verstandenen Konzept von Solidargemeinschaft leitet der Beitrag eine Vermögensteuer als aus prinzipiellen Gründen ethisch wünschenswert ab. Auf dieser Grundlage schlagen wir die progressive Besteuerung von Vermögen oberhalb von 300 Prozent des Medianvermögens vor. Der
empirische Befund zur Entwicklung der Verteilung von Vermögen in Österreich, zu den entsprechenden steuerpolitischen Weichenstellungen und dem daraus folgenden sinkenden Beitrag vermögensbezogener Steuern zum Gesamtsteueraufkommen unterstreicht die Relevanz dieser steuerethischen Argumentation für die österreichische Situation.

The Taxation of Wealth in Austria from a Social Ethics’ Perspective

This contribution argues for the justification of wealth taxes in Austria from a perspective that reciprocates with social ethics in the Austrian context. Based on equal rights and duties, the overall goal of tax policy proposed should be a well-ordered and well-established society. Such a polity takes the differentiated individual margin for contributing to the common good into account, enabling ample use and development of individual capabilities. The contribution argues that in this case where a community unites in solidarity demanding wealth taxes should be taken into account as highly desirable in principle. On this basis, the argument demands a progressive taxation of wealth above 300 percent of the median. Empirical evidence from the Austrian case concerning a) the unequal distribution of wealth; b) Austrian tax policies; and c) the declining contribution of wealth taxes to the overall tax base underline the relevance of the social ethics arguments concerning the situation that currently prevails in Austria.

Franz Kolland

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Gesellschaftliche Dimensionen von Frailty

Dieser Beitrag befasst sich mit der soziologischen Dimension des gerontologisch-geriatrischen Konzepts Frailty. Dieses Konzept ist in einem biopsychosozialen Modell des Alterns verortet. Diskutiert werden sozialstrukturelle Faktoren, mikrosoziale Handlungsmuster und gesellschaftliche Folgen des Frailty-Konzepts. Die dazu angeführten Forschungsarbeiten lassen erkennen, dass der Einfluss sozialer Determinanten auf den Prozess des Gebrechlichwerdens eine bedeutende
Rolle spielt. Frailty ist nicht nur eine physiologische Veränderung, sondern eng verknüpft mit entsprechenden subjektiven Bearbeitungsmustern (role-making). Defizitär ist weiterhin eine hinreichende gesellschaftstheoretische Begründung des Frailty-Konzepts.

Social Dimensions of Frailty

This article examines the sociological dimension of the gerontological-geriatric concept of frailty. This concept is rooted in a biopsychosocial model of ageing. In addition to socio-structural factors, also micro-social behaviour patterns and implications of the frailty concept for society are discussed. Studies, which are referenced in this article, provide strong empirical evidence for the impact of social factors on processes of becoming frail. Frailty does not only imply physiological 
changes, but is closely connected to appropriate subjective coping mechanisms (role-making). However, the frailty concept still lacks an exhaustive socio-theoretical foundation.

Roswitha Breckner

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Zur Konstruktion von Eigenheit und Fremdheit im öffentlichen Bilderraum

In diesem Beitrag geht es darum, aus der Perspektive einer "visuellen Soziologie" Bilder im öffentlichen Raum, die durch ihre Größe und farbliche Präsenz ins Auge fallen, exemplarisch daraufhin zu untersuchen, wie "Eigenheit" und "Fremdheit" bildlich konstruiert wird. Es wird gezeigt, wie bildliche Symbolisierungen Sinnbezüge hervorbringen, die auf kulturelle Muster der Konstruktion von Eigenheit und Fremdheit vor allem anhand von körperlichen Darstellungsformen
rekurrieren. Diese ersten empirischen Beobachtungen führen zur Frage, wie kulturelle Vielfalt bildlich repräsentiert werden kann, ohne in Klischees oder gar Rassismen zu verfallen. Im Ergebnis wird argumentiert, dass Typisierungsprozesse im Sinne von Alfred Schütz wesentlicher Bestandteil der Konstruktion unserer Alltagswelt sind und nicht vermieden werden können. Die Frage stellt sich vielmehr, wie bildliche Typisierungen entwickelt werden können, die kulturelle
Vielfalt als gesellschaftliche Normalität darzustellen in der Lage sind. Diese Frage kann zum gegenwärtigen Stand der Diskussion nicht befriedigend beantwortet werden und öffnet vielmehr neue Forschungsfelder.

Cultural Diversity? The Construction of ›We‹ and ›Others‹ in Public Pictures

The aim of this article is to examine how eye-catching pictures of "ourselves" and the "others" as "strangers" are constructed from the perspective of "visual sociology". It shall be demonstrated, how pictorial symbolization creates meaning, based on cultural patterns of constructing "us" and "them", which are mainly referring to the performance of bodies. First, empirical observations lead to the question, how cultural diversity is pictured without falling into clichés or even  racism. In summary, it shall be argued with Alfred Schütz that typification in everyday life cannot be avoided. The question is rather what kind of pictorial typification can b be developed that shows the social normality of cultural diversity in public spaces. At the moment, the solution to this question is hardly satisfactory and, therefore, it opens up new research ground.

Gerit Götzenbrucker / Margarita Köhl

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Intelligente Mobilität. Die Potenziale und Wirkungen von multimodalen Verkehrsinformationssystemen untersucht am Beispiel des Wiener Routenplaners AnachB.at

Die Förderung von nachhaltiger Mobilität gilt als eines der Hauptziele der zukunftsorientierten Stadtentwicklung. Visionen betreffend intelligente städtische Infrastruktur kommt in Verkehrsinformationssystemen besondere Bedeutung zu. Sie sollen umweltverträgliches nachhaltiges Verkehrsverhalten fördern. Ob sie diesen Erwartungen entsprechen können, wurde jedoch bisher kaum erforscht. Das transdisziplinäre Projekt "ITSworks" verfolgte daher das Ziel, die Wirkungen
auf das individuelle Verkehrsverhalten zu untersuchen. Als Beispiel diente der multimodale Routenplaner AnachB.at, der für die Region Wien seit 2009 im Internet zur Verfügung steht. Während sich eine Delphi-Studie Fragen der zukünftigen gesellschaftlichen technischen Weiterentwicklung widmete, wurde die Perspektive der NutzerInnen im Rahmen eines »Testlabors« erhoben. Die Ergebnisse zeigen, unter welchen Bedingungen Wirkungen erzielt werden können.

Intelligent Mobility. Potentials and Impacts of Multimodal Traveller Information Systems – the Case of AnachB.at in Vienna

Fostering sustainable mobility is considered a pre-eminent goal for the future development of cities. Within '"Smart City" scenarios Advanced Traveller Information Systems (ATIS) are envisioned as tools that are expected to enhance more environment-friendly mobility behavior. But: Whether ATIS can meet these expectations has not been investigated systematically yet. As a result, the transdisciplinary research project "ITS works" examined the impact of travel information acquisition on mobility behavior using the example of a new multi-modal traveller information system for the Vienna region called AnachB.at. While a Delphi study explored how ICTs like ATIS shall be socially and technologically embedded in the future, a "test-setting" was implemented to gain insight into the users’ perspectives. The results demonstrate on what terms ATIS can affect mobility behavior.