Heft 3 / 2018: "offenes Heft"

Philipp Altmann

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Das Gute Leben als geschlechtergerechte Wachstumskritik? Überlegungen zur Beziehung von Kultur und Natur im Buen Vivir / Sumak Kawsay Ecuadors

Der Begriff des »Buen Vivir« oder »Sumak Kawsay« ist in Ecuador innerhalb der Indigenenbewegung entstanden und hat sich seit dem Jahr 2000 verbreitet. Das hat zu einer weiteren Artikulation des Begriffs mit anderen zentralen Begriffen der Indigenenbewegung wie jenem der »Plurinationalität«, aber auch zu einer Loslösung von diesen indigenen politischen Begriffen und einer Bindung an social-justice-Ideen außerhalb der Bewegung geführt. Dieser Artikel geht über bisherige Versuche hinaus, Buen Vivir im Sinne von Post-Wachstum zu lesen, und stellt die Verbindung von dekolonialer Wachstumskritik, politischer Reform und einer Neufassung der Geschlechterbeziehungen in den Mittelpunkt. Über eine Analyse der Anhaltspunkte zur Konstitution von Geschlecht in den zentralen Texten zum Guten Leben wird versucht, die grundsätzliche Kritik an der Beziehung von Kultur und Natur der Indigenenbewegung nachzuzeichnen.

Good Life as Gender Equitable Critique of Growth? Reflections on the Relation Between Culture and Nature in the Buen Vivir/ Sumak Kawsay of Ecuador  

The term »Buen Vivir« or »Sumak Kawsay« originated in Ecuador within the indigenous movement and has spread since the year 2000. This dissemination led to a further articulation of the term with other central notions of the indigenous movement, such as pluri-nationality, as well as to a detachment from these indigenous political concepts and a link to social justice ideas outside the movement. This article goes beyond previous attempts to read Buen Vivir in terms of »degrowth« and will focus on the link between de-colonial growth criticism, political reform, and a reformation of gender relations. An analysis of evidence of the constitution of gender in central texts on the good life is trying to trace the fundamental criticism of the relationship between culture and nature of the indigenous movement.

David F. J. Campbell / Matthias Keppel

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Eine Analyse des österreichischen Nationalratswahlkampfs und der Nationalratswahl 2017: eine kurze vergleichende Betrachtung der Nationalratswahl 2017 und der österreichischen Bundespräsidentschaftswahl 2016

Der Artikel analysiert den österreichischen Nationalratswahlkampf und die österreichische Nationalratswahl 2017. Im Sinne eines explorativen oder experimentellen Vorgehens wird die Nationalratswahl 2017 auch mit der österreichischen Bundespräsidentschaftswahl 2016 verglichen. Der Wahlkampf wies auf die wachsende Rolle von neuen sozialen Medien und des Internets hin, und auftretende Skandale wurden ebenso damit assoziiert. Im Wahlergebnis zeigt sich eine Mitte-rechts- / Rechts-WählerInnenmehrheit von ÖVP und FPÖ, während sich in der Bundespräsidentenstichwahl 2016 noch der »linke« Kandidat Alexander Van der Bellen durchsetzen konnte. Nationalratswahlen folgen der Logik eines Verhältniswahlrechts, während bei Bundespräsidentschaftswahlen teilweise Merkmale eines Mehrheitswahlrechts zur Anwendung kommen. Daran knüpft sich die Frage, ob unterschiedliches Wahlrecht zu unterschiedlichen Effekten führen kann, und ob ein Mehrheitswahlrecht eher abwechselnde Pendelschläge nach links oder rechts zulässt.

An Analysis of the Austrian National Election Campaign and the National Parliamentary Election of 2017: a Short Comparative Assessment of the National Parliamentary Election 2017 with the Austrian Presidential Election of 2016 

The article analyses the Austrian National Parliamentary election campaign and the Austrian National Parliamentary election of 2017. In the understanding of an explorative or experimental approach and attempt, the National Parliamentary election of 2017 will also be compared with the Austrian Presidential election of 2016. The election campaign can be used to demonstrate the importance of the growing role of the new social media and of the internet, and the arising scandals, which were associated with them. The election results also reveal a »center-right- / right«-voter majority for ÖVP and FPÖ, whereas in the final ballot of the Presidential election of 2016 the »left« candidate Alexander Van der Bellen won. The National Parliamentary elections are based on the logic of a proportional representation and electoral formula, whereas the Federal Presidential elections have partially the characteristics of a majority election. Thus the question arises whether alternative types of electoral law can lead to alternative effects, and whether a majority-oriented (non-proportional) electoral formula and law can lead to more frequent sequences of political left and right swings.

Nina-Sophie Fritsch

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Arbeitsmarkt, Berufe und Geschlecht in Österreich

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit Geschlechterunterschieden am österreichischen Arbeitsmarkt. Das Ziel besteht darin, einen Überblick über die zentralen theoretischen Konzepte, Definitionen und Messkonzepte zu liefern und diese mit den Entwicklungen am österreichischen Arbeitsmarkt in Österreich zu kontrastieren. Nach einer Einschätzung im Kontext des österreichischen Wohlfahrtsstaates gibt der empirische Teil einen Überblick über eine Reihe unterschiedlicher Arbeitsmarktindikatoren für die letzten 20 Jahre. Neben der Beschreibung dieser Strukturindikatoren widmet sich der Artikel der geschlechterspezifischen Trennung in den Berufen. Die Berechnungen der beruflichen Geschlechtersegregations- und Konzentrationsindizes basieren auf den Mikrozensus-Daten für Österreich im Zeitraum von 1995 bis 2015. Die Ergebnisse dieses Artikels verweisen trotz des berufsstrukturellen Wandels und trotz sich angleichender Qualifikationsprofile auf eine Beharrungskraft der Geschlechterspezifik am österreichischen Arbeitsmarkt im Allgemeinen und auf eine hohe Stabilität bei den beruflichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen im Speziellen. Eine detaillierte Komponentenzerlegung (Dekompositionsanalyse) zeigt zudem, dass die berufliche Geschlechtersegregation gestiegen wäre, wenn sich die berufsstrukturelle Zusammensetzung des Arbeitsmarktes in den letzten Jahren nicht positiv verändert hätte.

Labour Market, Occupations and Gender in Austria

This article examines gender-specific differences in the Austrian labour market. The main aim of this article is to provide an overview about well-established theoretical concepts, terms and definitions as well as revealing empirical evidence about the Austrian labour market development within the last two decades. By means of various key labour market indicators and measures on occupational gender segregation, I endeavour to highlight the gendered patterns of the Austrian welfare state. For the empirical analysis, micro census data (within the period between 1995 and 2015) are being used. Despite changing occupational structures and converging levels of qualification, the results indicate a strong persistence of gender-specific differences in the labour market in general and high levels of stability in terms of occupational gender segregation in more particular. Decomposition analysis reveals that, without beneficial changes of the occupational structure, occupational gender segregation would even have increased.

Michael Brandmayr / Hermann Mitterhofer / Tanja Vogler / Martin Fritsche / Fabian Madlung

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Das Politische in sozialen Medien am Beispiel Facebook: Herausforderungen für eine politische Bildung

Soziale Medien wie Facebook haben einen so bedeutenden Einfluss auf politische Diskurse, dass es einer Adaption von Konzepten der politischen Bildung bedarf. Der Beitrag stellt erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts an der Universität Innsbruck dazu vor, das sich diesen Phänomenen aus der Perspektive der politischen Bildung widmet. Die leitende Annahme ist dabei, dass für eine künftige politische Bildung Strukturen und Prozesse verstanden werden müssen, die in sozialen Medien zu einer Selektion und Verfremdung von politischen Aussageweisen und damit des Politischen selbst führen. Der Artikel zeigt das methodische Vorgehen und auch die ersten Ergebnisse des Projekts, die den Begriff des »Politischen« betreffen, an einem Beispiel. Diese beschreiben eine Tendenz zur Emotionalisierung von Politik und zur rhetorischen Dichotomisierung in »Wir« und »Andere«. Auch in der medialen Berichterstattung finden sich diese Elemente, wo sie von der spezifischen Gestaltung von Artikeln, Bildern und darin verwendeten Symbolen unterstützt werden. Wir stellen am Beispiel dar, wie sie identifiziert werden können und wie damit in der politischen Bildung umgegangen werden kann. Unser Beispiel soll auch als Praxisvorschlag für die politische Bildung verstanden werden.

The Political in Social Media and the Example of Facebook: New Challenges for a Civic Education 

Social media-platforms, such as Facebook, are influencing political discourses to the extent that concepts of civic education must be renewed. This article presents first findings of a research project conducted at the University of Innsbruck. We follow the assumption that it is crucial for a new civic education to understand structures and processes within social media that are selecting and changing the modes of political debates – and so the political itself. The article shows methodic approaches and first findings of a project regarding a new understanding of the political and by giving an example for this. These are tendencies of an emotionalization of the political as well as a rhetorical division in »we« and »the others«. These elements can also be identified in the media, supported by the design of articles, images and symbols. In our example we show how these tendencies are to be identified and what options civic education has to deal with them. The demonstrated example can thus be regarded as a proposal for the practice of civic education.

Zehra Özkececi

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Die Perspektiven des türkischen Journalismus – Ein Drahtseilakt zwischen eingeschränkter Pressefreiheit und begrenzten Alternativen

In der Türkei sind die Zeiten für freie Medien und unabhängige JournalistInnen seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 härter geworden, nachdem Notstandsgesetze eingeführt und Oppositionelle unter Generalverdacht gestellt worden waren, AnhängerInnen von Terrororganisationen und / oder Putschisten zu sein. Ausgehend von diesem Ausnahmezustand fragt dieser Artikel nach Alternativen zur aktuellen Situation. Daher werden die Situation der türkischen Medien vor dem Regierungsantritt der AKP sowie Probleme im Zusammenhang mit Einschränkungen von Medien-, Presse- und Meinungsfreiheit in westlichen Demokratien betrachtet, um danach zu fragen, in welche Richtung sich die türkischen Medien in Zukunft entwickeln könnten.

The Perspectives of Turkish Journalism – A Balancing Act Between Limited Freedom of the Press and Limited Alternatives 

In Turkey, the times for free media and independent journalists have become harder since the failed coup attempt in 2016, after emergency law was introduced and oppositionists were exposed to the general suspicion to support terrorist organizations and/ or putschists. Based on this state of emergency, the article is asking for alternatives in the current situation. Therefore, (1) the situation of the Turkish media before the accession of the AKP to government and (2) limitations of freedom of media, of the press and of opinion in Western democracies in general are being considered, in order to assess into which directions the Turkish media could develop in the future.