Heft 3 / 2021: "Kultur und Kulturpolitik in Zeiten von COVID-19"

Pascal Honisch

Abstracts

Die Lehren aus dem Lockdown. Von der (Un-)möglichkeit, Kultur zu vermitteln

Der vorliegende Artikel beschäftigt sich aus kulturwissenschaftlicher Perspektive mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie 2020/21 und den daraus resultierenden Lockdown-Phasen auf das österreichische – insbesondere das Wiener – Kulturschaffen. Eine Chronologie bekannter und öffentlich artikulierter Problemstellungen des Kultursektors und der Mitte und Wege, wie diesen in unterschiedlichen Phasen seitens der österreichischen Politik und Kulturtätigen begegnet wurde, stellt der Autor dabei eine Autoethnografhe (gemäß Carolyn Ellis und Arthur Bochner 2010 und 2016) seiner eigenen Kultur schaffenden Praxis gegenüber. Vor dem Hintergrund kultur- und sozialwissenschaftlicher Theorien erfolgt sodann eine Diskussion zu den Möglichkeiten und Problemstellungen, während dieser Periode und darüber hinaus künstlerisch und kulturvermittelnd aktiv zu bleiben.

Lessons of the Lockdown. On the (Im-)Possibility to Mediate Culture

This article deals with the effects of the Corona Pandemic 2020/21 and the resulting lockdown phases on domestic Austrian – especially Viennese – artisan production and activity, from a cultural and social scientific viewpoint. A chronology of well-known and publicly voiced problems of the cultural sector and the ways and means, how these were met in different phases by Austrian politics and cultural activists, is contrasted by the author with an auto-ethnography (according to Carolyn Ellis and Arthur Bochner 2020 and 2016) of his own cultural practice. Against the background of cultural and social scientific theories, a concluding discussion unfolds around the possibilities and shortcomings for remaining artistically and culturally active during this period as well as beyond.

Christine Neubert

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Die Zoom-Probe: Tanzvorbereitung als generative Praktik in Zeiten der Pandemie

Der Tanz als kulturelle Praktik lebt von Präsenz, anwesenden Akteur*innen und Beziehungen: Wesentliche Dinge, die während der Pandemie aufgrund von Covid-19 monatelang erheblich eingeschränkt waren und dies teilweise noch immer sind. In meiner praxistheoretischen Studie zu zeitgenössischem Tanz und Tanzvermittlung frage ich nach Auswirkungen der Nutzung von Videotelefonie-Software wie Zoom auf diese Bereiche. Basierend auf ethnografischen Daten und Expert*inneninterviews kann ich zeigen, dass der zeitgenössische Tanz und insbesondere dessen Arbeitsbereich der Tanzvermittlung aufgrund der Pandemie eine neue Praktik hervorbringt: die Zoom-Probe. Diese beschreibt eben nicht das gewohnte alte Tanzen unter neuen Covid-19-Bedingungen, sondern eine eigene Qualität und Zielstruktur des vorbereitenden Tanzens. In ihrem immanenten Verweis auf das Vorzubereitende und gleichsam Zukünftige liegt aus praxistheoretischer Perspektive die Nähe und wechselseitige Bedingtheit von gelingenden und nicht gelingenden Praktiken, über Zeit und Raum, begründet.

Zoom-Rehearsal: Preparing Dance as a Generative Practice in Times of Pandemic

Dance as a cultural practice existes on presence, actors being present, and relationships. Essential things that were, and in some cases still are, significantly limited for months during the pandemic due to Covid-19. In my practice-theoretical study of contemporary dance and dance education, I ask about effects of the use of video-telephony software such as Zoom on dance. Based on ethnographic data and interviews with experts, I can show that contemporary dance, and especially its field of dance education, is producing a new practice due to the pandemic: the Zoom rehearsal. This does not describe the usually old dancing under new Covid-19-conditions, but as an own quality and aim of preparatory dancing. From a practice-theoretical perspective, the proximity and mutual conditionality of suceeding practices over time and space is rooted in their immanent reference to what is to be prepared.

Sigrid Kroismayr / Andreas Novy

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Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die kulturelle Nahversorgung – Erfahrungen aus dem Zentrum Favoriten

Der Beitrag untersucht, wie es primär ehrenamtlich geführten Kulturvereinen in der Zeit der Pandemie ergangen ist. Im Mittelpunkt stehen Vereine, die kulturelle Veranstaltungen – Konzerte, Ausstellungen, Filme – organisieren und damit zur kulturellen Nahversorgung beitragen. Als Untersuchungsgebiet diente das Zentrum Favoriten, wo mit Vorstandsmitgliedern von acht kulturellen Vereinen qualitative Interviews durchgeführt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass zum einen dem ehrenamtlichen Engagement einiges abverlangt wurde – im Hinblick auf erforderliche Flexibilität, einen arbeitsmäßigen Mehraufwand durch Sicherheitsvorkehrungen für Präsenzveranstaltungen sowie die Ermöglichung von Online-Veranstaltungen. Zum anderen kamen in manchen Vereinen die kulturellen Aktivitäten fast gänzlich zum Erliegen. Die vielen Orte im öffentlichen Raum sorgten im Gebiet aber dafür, dass zumindest ein Mindestmaß an kulturellen Aktivitäten aufrechterhalten werden konnte.

The Impact of the Covid-19 Pandemic on Local Culture Supply – Experiences from the Favoriten Centre

This article examines how volunteer-run cultural associations have been coping with the pandemic. The focus is on associations that organize cultural events – concerts, exhibitions, films, discussions – and thus contribute to local cultural supply. The study area ist the Centre of Favoriten, where qualitative interviews with board members of eight associations were carried out. The results show that, on the one hand, volontary commitment was challenged by the need for flexibility, an additional workload due to security precautions for presence events, and the organizing of online events. However, the many places in the public space in the area have ensured that als least a minimum of cultural activities could be maintained.

Jörg-Uwe Nieland / Marlon Knitz / Amila Hadzic / Philina Bauschke / Anna Reimnitz / Carla Veit / Dorothea Kayser / Gloria Strauss

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Kultur in der Krise? Institutionelle und kommunikative Strategien von Kultureinrichtungen in der Bodenseeregion

Die Kultur hat besonders unter den Beschränkungen und Maßnahmen im Zuge der Covid-19-Pandemie gelitten. Viele Kultureinrichtungen kämpfen um ihre Existenz sowie Wahrnehmung und hatten/ haben mit Beschränkungen ihrer Öffnungen umzugehen. In diesem Kontext spielt auch die Digitalisierung eine wesentliche Rolle für kulturelle Institutionen. Der vorliegende Artikel versucht eine Momentaufnahme und Analyse der aktuellen Situation von Museen, Kinos und Clubs in der Bodenseeregion in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz zu präsentieren. Dabei zeigt sich u. a., dass neue Formen der Publikumsansprache entwickelt werden müssen, sei es gestützt auf die Sozialen Medien oder über ergänzende Formate, etwa in Form von Podcasts. Die Pandemie hat diesen Prozess und die Notwendigkeit der Digitalisierung in jedem Fall beschleunigt. Der durch die Pandemie verstärkte Digitalisierungsschub kann als dynamische Mediatisierung interpretiert werden, denn insbesondere die untersuchten Museen entwickelten in kürzester Zeit vielfältige partizipative Formen der digitalen Vermittlung.

Culture in Crisis? Institutional and Communicative Strategies of Cultural Institutions in the Lake Constance Region

Culture has suffered particularly from the restrictions and measures taken in the wake of the Covid-19 pandemic. Several cultural institutions are fighting for their existence as well as perception and have to deal with restrictions concerning openings. In this context, digitization also plays an essential role for many of these institutions. This article is intended as as summary and analysis of museums, cinemas and clubs in the region around the Lake of Constance in Germany, Austria, Liechtenstein and Switzerland. It shows, among other things, that new forms of addressing audiences must be developed, whether on social media or via complementary formats such as podcasts. In any case, the pandemic has accelerated this process and the need for digitization. The digitization-push, amplified by the pandemic can be interpreted as a dynamic mediatization, because the museums, being studied in particular, developed participatory forms of digital mediation in a very short time.

Thomas Schweinschwaller

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Organisationale Resilienz: Wie bewältigen Organisationen und ihre Mitglieder die Herausforderungen durch die COVID-19- Pandemie?

In diesem Artikel werden die Ergebnisse einer qualitativen Forschung mit Geschäftsführer*innen, Führungskräften und Mitarbeiter*innen zur organisationalen Resilienz vorgestellt. Bei der Auswertung der 45 semistrukturierten Interviews, die während der COVID-19-Pandemie in Österreich durchgeführt wurden, konnten drei Muster identifiziert werden: Adaption, Lernen zweiter Ordnung und Innovation. Die Adaption ist zum Erstaunen der Studienteilnehmer*innen besser gelungen als erwartet. Wenn ein Lernen zweiter Ordnung und Innovation stattfanden, erhöhte dies die Belastungsfähigkeit. Organisationen, die in der Krise Ressourcen bereitstellen konnten und ein Krisenbewusstsein entwickelt hatten, waren bei der Bewältigung der Pandemie im Vorteil. Im Artikel werden die Beiträge der Organisationen und ihrer Mitglieder zur Bewältigung der Pandemie vorgestellt. Auf Basis der Ergebnisse erfolgt ein Ausblick auf die Zeit nach der COVID-19-Pandemie, um die organisationale Resilienz für den Umgang mit weiteren und erwartbaren Krisen zu stärken.

How Are Organizations and their Members Coping with the Challenges Posed by the COVID-19 Pandemic?

This article presents the results of qualitative research with directors, employees and managers on organizational resilience. Three patterns were identified in the analysis of the 45 semi-structured interviews: adaption, second-order learning, and innovation. To the astonishment of the study participants, adaptation suceeded better than expected. When second-order learning and innovation occured, it increased resilience. Organizations that were able to provide resources during the crisis and that had developed crisis awareness, these had an advantage in coping with the pandemic. Based on the findings, an outlook for the post-pandemic period is provided so to strengthen organizational resilience for dealing with further and expectable crises.